Sind Impfverweigerer immer nur verwirrte Verschwörungstheoretiker und Querdenker? Wir sollten uns klar machen, dass es neben den verwirrten Geistern auch noch Leute gibt, die sich aus sehr nachvollziehbaren Gründen nicht impfen lassen wollen: Leute die richtig Angst vor einer Impfung haben – ich rede von tiefer, panischer Angst – einer Phobie. Wer soetwas hat – z.B. vor Spinnen – weiß wovon ich rede.
Meine Schwester z.B. hat Angst vor Spinnen. Wenn ich sie vor eine Türe stelle und ihr sage, dass sich in dem dahinterliegenden Raum Spinnen befinden, befällt sie die nackte Panik – ohne auch nur die Türe aufgemacht zu haben. Sie hat in früheren Zeiten so lange nicht in ihrem Zimmer geschlafen, bis wirklich klar war, dass da keine Spinne (mehr) drin ist. Notfalls bedeutete das: Schränke, Bett, Schreibtisch verrücken. Jetzt kann ich ihr natürlich eine Studie vorlegen und sagen: „Pass auf, in der Studie steht, dass es bisher nur sehr wenige Todesfälle durch Kontakt mit Spinnen in Deutschland gab.“ Ich wage folgende Prognose: Sie wird nach der Lektüre der Studie nicht geheilt von ihrer Phobie in dieses Zimmer gehen, um mit den posierlichen Spinnen zu spielen und sich wundern, warum sie je Angst vor diesen süßen Tierchen haben konnte. Sie können sie auch mit Gewalt in das Zimmer stoßen und ihr sagen, dass sie sich nicht so anstellen soll, und nicht zu verstehen ist, was das kindische Verhalten eigentlich soll. Wenn Sie sie dann nach einiger Zeit aus dem Zimmer holen, haben sie eher einen Fall für die Psychatrie geschaffen als eine Phobie beseitigt.
So, und jetzt erzähle ich Ihnen die Geschichte einer Bekannten. Sie hat in Ihrer früheren Kindheit und Jugend immer wieder erfahren müssen, was Krankheit und Siechtum mit Leuten macht, und schon etwa Mitte der 1980er Jahre beschlossen, dass sie alles in ihrer Macht stehende tun möchte, um das zu verhindern. Ihr Hauptthema ist seither „Ganzheitliche Gesundheit“. Sie hat in diesem Bereich auch eine Ausbildung absolviert und sich zur „Ganzheitlichen Gesundheistberaterin“ zertifizieren lassen. Ich würde sagen, dass sie so etwas wie eine Pharmakophobie (Angst vor Medikamenten) hat. Impft man sie – evtl. sogar gewaltsam -, haben sie neben meiner Schwester einen zweiten Fall für die Psychatrie geschaffen.
Der Fall meiner Bekannten ist – im Zusammenhang mit Corona – besonders „interessant“: Sie verdient sich seit den 1980er Jahren also freiberuflich ihren Unterhalt mit dem Thema „Ganzheitliche Gesundheit“, und lässt das auch in ihre Arbeit als Musiklehrerin und Lauftrainerin einfließen. Sie versucht seit vielen Jahren, möglichst vielen Menschen klar zu machen, dass deren Art und Weise zu leben lebensgefährlich ist – für die Leute selbst und für diesen Planeten. Und sie hat auch vermutet, dass uns das Alles irgendwann einmal fürchterlich auf die Füße fallen wird.
Und dann kam Corona. Da stand sie jetzt: Entsetzt, aber nicht verwundert.
Und dann kam der Lockdown: „Wir müssen Ihnen leider die Ausübung Ihrer Tätigkeit untersagen. Da müssen Sie schon Ihren Solidaritätsbeitrag leisten. Wichtig sind jetzt eher Friseure und Nagelstudios. Gesundheitsberatung ist in der jetztigen Situation eher gefährlich. Sie bekommen von uns auch für einige Zeit Unterstützung. Aber nur für Ihre Auslagen wie Miete und Leasingraten, nicht für Ihren Unterhalt. Dafür gibt’s ja schließlich Hartz IV. Wenn Ihre derzeitige Wohnung zu groß ist, müssen sie halt ausziehen. Wer schon die Solidargemeinschaft ausnutzt, kann ja nicht erwarten, dass er dann auch noch ordentlich wohnen kann. Ansonsten wünschen wir Ihnen noch viel Glück. Und: Bleiben Sie gesund!“ Jetzt war sie allerdings doch verwundert. Wie konnte es sein, das alles, was sie bislang erzählt hat eingetreten ist, und alle Welt immer noch glaubt, das ihr gesundheitlicher Weg nicht richtig ist?
Sie hat sich dann mit einem kleinen Erbe und immensem Aufwand über Wasser gehalten. Sie hat also Gruppen auf Einzelunterricht umgestellt – aber von den Teilnehmern natürlich nicht mehr verlangt bzw. bekommen. Auf Kosten der Gemeinschaft zu leben, so lange man selbst arbeiten kann, war ihr immer ein ungeheuerlicher, asozialer Gedanke. Das allerdings immer und in jedem Bereich, nicht nur bei Corona.
Und dann kam die Impfdebatte: „Jetzt lassen Sie sich aber bitte noch impfen, so dass diejenigen, denen Sie immer schon vorhergesagt haben, dass ihr Lebensstil gefährlich ist, so weitermachen können wie bisher. Und die verrückte Spinnerei mit der Gesundheit vergessen Sie mal besser schnell. Geimpft sein ist das neue gesund. Soviel Solidarität muss sein. Wer schon von Hartz IV lebt, kann wenigstens das medizinische System entlasten.“ OK, der letzte Satz war jetzt blanke Ironie, weil sie ja nie Hartz IV in Anspruch genommen hat.
Ich wage jetzt die nächste Prognose: Diese Bekannte wird wohl kaum von der Impfung zu überzeugen sein. Und bevor Sie das versuchen, sollten Sie zuvor Ihre eigene Lebensführung unter die Lupe nehmen: Rauchen Sie? Ernähren Sie sich (auch nur halbwegs) vernünftig? Bewegen Sie sich ausreichend? Sorgen Sie dafür, dass Ihr Leben lebenswert ist, und kein Burnout droht? Wie sieht es mit Familie, Partnerschaft, Freunden aus? Das sind alles Punkte, die – wissenschaftlich ziemlich gut abgesichert – zu Zivilisationskrankheiten und oft auch in Klinik und Intensivstationen führen. Oder haben Sie nur Ausreden, warum das alles bei Ihnen „natürlich“ nicht möglich ist, bzw. auf genetischer Veranlagung beruht? Wenn Sie immer noch vermuten einen guten Grund zu haben: Viel Spaß bei der Überzeugungsarbeit.
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