Letzte Überarbeitung: 07.12.2021
Getriggert ist dieser Beitrag – natürlich – durch die aktuelle Berichterstattung, Meinungsäußerungen, Beiträge etc. zum Thema Corona.
Persönliche Meinung
Mit der Meinung ist das eine verzwickte Angelegenheit. Wenn jemand heute seine Meinung kundtut, stellt man beim nachfragen fest, dass dieser Meinung ziemlich schnell eine objektive – und häufig auch subjektive – Begründung fehlt. Sprich: Der Meinende kann noch nicht einmal schlüssig erklären, warum er denn das, was er meint, tatsächlich meint. (Zu) häufig läuft es darauf hinaus, dass eine bestimmte Sache „der“ oder „die“ oder „viele“ oder „die meisten“ doch genauso sehen. Dann muss ja was dran sein. Das hält die meisten aber nicht davon ab, ihre Meinung wie eine Wahrheit oder gar gesichertes Wissen zu verteidigen.
Expertenmeinung
Bei der Expertenmeinung verhält es sich ganz ähnlich wie bei der normalen Meinung. Die Ausnahme besteht dann, wenn der Experte eine Meinung äußert, die in das Gebiet seiner Expertise gehört. Interessant ist es aber zu beobachten, wie oft Expertenmeinungen veröffentlicht werden, wobei der jeweilige Experte zu einem Thema befragt wird bzw. seine Meinung kundtut, das nicht in den Bereich seiner Expertise gehört. Da wird dann oft mit dem Verweis auf den Expertenstatus einer persönlichen Meinung eine – eben nur scheinbare – Bedeutung verliehen. Es ist wirklich interessant, das immer wieder zu prüfen. Ich stelle fest, dass das extrem häufig der Fall ist.
Wissenschaftliche Lehrmeinung / Konsens
Die wissenschaftliche Lehrmeinung ist knifflig, da sich in diesem Falle viele Spezialisten in einer – allerdings nicht bewiesenen – Meinung einig sind. Das wird dann ziemlich schnell als Wissen deklariert.
Mein Lieblingsbeispiel: Bei den Olympischen Sommerspielen 1984 in Los Angeles wurde der Marathonlauf der Frauen erstmals durchgeführt. Warum? Weil es bis lange in das 20. Jahrhundert hinein die medizinische Lehrmeinung war, dass Frauen körperlich nicht in der Lage sind Strecken über 800m (!) zu laufen. Mittlerweile ist klar, dass Frauen – v.a. bei längeren Strecken – Männern mindestens ebenbürtig sind. Es wird heute eher der Vermutung nachgegangen, dass Frauen gerade für die richtig langen Strecken (also jenseits des Marathon) besser geeignet sind. Man vermutet also genau das Gegenteil dessen, was vor noch nicht allzulanger Zeit die gängige Lehrmeinung war.
Das ist wie bei jeder Wissenschaft: Hinterher stellt sich heraus, dass alles ganz anders war.
Karl Valentin
Wissen
„Tatsachen oder Umstände, deren Gültigkeit man sich sicher ist“
https://de.wikipedia.org/wiki/Wissen_(Begriffsklärung)
(Abgerufen am 30.10.2021)
Wer ist in dieser Definition mit „man“ gemeint?
Wenn „man“ eine Einzelperson ist – z.B. ich – ist alles von dessen Gültigkeit ich überzeugt bin „Wissen“. Jeder der in einem beliebigen Punkt von der Gültigkeit einer Sache nicht ebenso überzeugt ist wie ich, wird das anders sehen. Das kann also nicht Wissen sein. Am anderen Ende müssten alle – nicht nur die meisten ! – Menschen von der Gültigkeit einer Tatsache oder eines Umstandes überzeugt sein. Dann wird es schon ziemlich dünn mit den Dingen, die wirkliches Wissen sind. Und wenn man sich alleine den Artikel der Wikipedia zum Thema Wissen durchliest, bekommt man eine Ahnung davon, wie wenig wirklich gesichertes Wissen es gibt.
Es gibt neben dem schönen Spruch von Karl Valentin (s.o.) auch den Satz: „Das Wissen von heute sind die Irrtümer von morgen.“ In diesem Satz steckt die Erkenntnis, dass das, was wir heute als „Wissen“ bezeichnen eben häufig kein echtes Wissen ist, sondern nur vermeintliches Wissen. Etwas dessen Gültigkeit wir uns zwar in diesem Moment sicher sind, das aber aus anderer Perspektive betrachtet, oder bei Verfügbarkeit von etwas mehr Informationen plötzlich in völlig anderem Licht erscheint. Ich nenne das Weiterentwicklung.
Nachdem ich nun eine ganze Menge an Artikeln zum Thema Wissen gelesen habe, würde ich es für mich so definieren:
Als Wissen gilt, was die überwiegende Mehrheit einer Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt als wahr akzeptiert.
Johannes Kaindl
Ich möchte das gerne noch anhand einiger Beispiele etwas näher erläutern:
Überwiegende Mehrheit
Im Zuge der Bekämpfung zahlreicher Pandemien wurde schon immer sehr intensiv über das Thema Impfung diskutiert. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung hat dann zumeist als wahr akzeptiert, dass Impfung das einzige Mittel zur Verhinderung gesundheitlicher Einschränkungen infolge einer Infektion ist. Es gab jedoch immer auch eine mehr oder weniger große Anzahl von Menschen, die das anders gesehen hat, aber aufgrund der Überzeugung der überwiegenden Mehrheit ihre Meinung nicht durchsetzen konnten. Interessant dabei ist der Punkt, dass das nicht für alle Impfungen gilt. Die alljährliche Impfung gegen Influenza wird immer sehr kontrovers diskutiert – genauso alljährlich wie der Nutzen der eigentlichen Impfung. Ist es jetzt wahr oder nicht? Vielleicht werden nachfolgende Generationen den Kopf darüber schütteln, wie wir versucht haben, mit dem Auftreten von Virusinfektionen umzugehen. Vielleicht aber auch nicht. Sicher sagen kann das keiner. Aber derzeit akzeptiert die überwiegende Mehrheit diesen Punkt als wahr. Das das auch schief gehen kann, sieht man an der Entwicklung multiresistenter Keime durch eine völlig unverhältnismäßige Gabe von Antibiotika. Auch – und heute v.a. – in der Tierzucht.
Gesellschaft
„Andere Länder andere Sitten“ ist ein altbekanntes Sprichwort. Dinge, die in einer Gesellschaft – Familie, Dorf, Stadt, Land, Kontinent, etc. – als wahr akzeptiert und nie hinterfragt werden, können eben in einer anderen Gesellschaft völlig anders gesehen werden. Dies wird ganz besonders deutlich, wenn man sich z.B. Vorgaben / Grenzwerte etc. in den Bereichen Gesundheit und Ernährung betrachtet. Da weichen die (hoffentlich) auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierenden Empfehlungen deutlich voneinander ab. Und das was die überwiegende Mehrheit mit dieser Information macht weicht davon noch viel mehr ab. Wenn Sie z.B. mit der Erkenntnis, dass Schweinefleisch doch eigentlich eine gesunde Sache sei in einer muslimischen Gesellschaft auftreten, werden Sie kaum eine überwiegende Mehrheit finden, die Ihre Position unterstützt.
Bestimmter Zeitpunkt
Ich habe es weiter oben bereits am Beispiel des Marathonlaufs der Frauen dargelegt. Dinge, die heute noch als wahr akzeptiert werden, werden vielleicht in einigen wenigen Jahren als fundamentaler Irrtum belächelt werden. Es stellt sich irgendwann dann heraus, dass wir – vielleicht nur aufgrund unzureichender Messtechnik, oder weil wir es uns schlicht nicht vorstellen konnten – nicht in der Lage waren etwas nachzuweisen und es deshalb als nicht wahr abqualifiziert haben. Ich vermute, dass die Liste der Nobelpreisträger voll ist mit Personen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Idee hatten und von vielen Kollegen belächelt oder gar beschimpft wurden. Ich würde sogar vermuten, dass das fast als Voraussetzung für die Erlangung eines Nobelpreises ist.